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Es gebe kein Recht auf Revolution

Im Prozess gegen Anhänger der in der BRD nicht verbotenen Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch, TKP/ML, hat der Bundesgerichtshof eine Revision abgelehnt und die Verurteilung einer Frau und von neun Männern bestätigt. Was wollten Sie mit der Revision erreichen?

Sie richtete sich in erster Linie gegen die nach unserer Ansicht fehlerhafte Einführung von Observationsprotokollen. Der BGH hat das Vorgehen des OLG München, wie leider zu erwarten, bestätigt.

Welche Konsequenzen hat das für die verurteilten Kommunisten?

Unsere Mandanten müssen nun in nächster Zeit den Rest ihrer Haftstrafen antreten. Aufgrund der langen Untersuchungshaft ist das für manche nicht mehr allzu lang. Andere werden noch Jahre absitzen müssen.

Am Oberlandesgericht München dauerte das Verfahren vier Jahre. Was war den zehn Betroffenen zur Last gelegt worden, so dass sie als Mitglieder einer »ausländischen Terrorvereinigung« verurteilt wurden?

Den Verurteilten wurden keine Ausübung von Gewalt oder andere Straftaten in Deutschland vorgeworfen, sondern die Mitgliedschaft in der TKP/ML. Deren Aktivitäten in der Türkei, insbesondere der bewaffnete Kampf gegen das türkische Regime, werden als terroristisch bewertet. Das Urteil stellte daher fest, dass die Angeklagten Rädelsführer beziehungsweise Mitglieder der Partei waren. Diese strebt laut Urteil einen gewaltsamen Umsturz der staatlichen Ordnung in der Türkei an und führe hierzu einen bewaffneten Kampf.

Insgesamt seien zwischen Dezember 2004 und Juli 2015 mindestens sechs Menschen durch Anschläge der TKP/ML zu Tode gekommen. Alle Angeklagten hätten spätestens ab Juni 2012 gemeinsam an dem Parteigremium mitgewirkt, das die Aktivitäten der Organisation in Mittel- und Westeuropa steuerte. Dessen Aufgabe hätte darin bestanden, Gelder zu beschaffen, die der Finanzierung der Partei dienen sollten. Hierzu seien jährlich Spendensammlungen und Veranstaltungen durchgeführt worden.

Sie deuteten es an: Weshalb kam die Entscheidung des BGH für Sie nicht überraschend?

Die Strafverfolgung bei Fällen des Paragrafen 129 b erfolgt aufgrund einer Verfolgungsermächtigung durch das Justizministerium nach Anhörung des Außenministeriums. Es war klar, dass der BGH nicht wegen formaler Fehler das Urteil aufheben und damit die außenpolitischen Entscheidungen und Zugeständnisse gegenüber dem türkischen Staat in Frage stellen würde. Die Bundesrepublik steht politisch an der Seite von Recep Tayyip Erdogan und ist bemüht, den türkischen Staat bei der Bekämpfung seiner politischen Gegner zu unterstützen. Hauptaufgabe des Staatsschutzsenates des OLG München bestand nun darin, Feststellungen zu treffen, nach denen die ­TKP/ML als terroristische Vereinigung zu betrachten ist. Das BGH-Urteil wiederum setzt sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob der bewaffnete Kampf gegen das Erdogan-Regime gerechtfertigt sein könnte, und beantwortet diese Frage mit offenem Antikommunismus.

Wie offen?

Im Urteil heißt es: »Ein übergesetzliches Widerstandsrecht kann – insoweit wie das in Art. 20 Abs. 4 GG kodifizierte Widerstandsrecht – ausschließlich darauf gerichtet sein, eine legitimierte Rechtsordnung, die in rechtswidriger Weise außer Kraft gesetzt zu werden droht bzw. bereits außer Kraft gesetzt wurde, aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen.« Dann stellt das Gericht fest, dass jenes Widerstandsrecht »keinesfalls« ein »Recht auf Revolution« gewähre. »Die Taten, auf deren Begehung die TKP/ML« gerichtet sei, dienen laut Urteil nicht dazu, »die bestehende Ordnung in der Türkei vor einer Außerkraftsetzung zu bewahren«, sondern auf »eine Beseitigung jener Ordnung und ihre Ersetzung durch eine andere, nämlich durch eine ›Diktatur des Proletariats‹ als Vorstufe zum Kommunismus«.

Nach der Logik des OLG München könnten Kommunisten also niemals als Freiheitskämpfer anerkannt werden. Diese Aussage macht deutlich, wie sich die Bundesrepublik außenpolitisch verortet und welche Aufgabe daher die Repression gegen Befreiungsbewegungen innerhalb der Bundesrepublik hat.

Quelle: JungeWelt