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ATİK-UPOTUDAK: BERICHT ÜBER RECHTSVERLETZUNGEN IN TÜRKISCHEN GEFÄNGNISSEN

Dieser Bericht basiert auf Berichten, die von Organisationen wie der türkischen Menschenrechtsvereinigung, der Plattform der Anwält*innen für Freiheit, der Vereinigung zeitgenössischer Anwält*innen, den Gefängniskommissionen der Anwaltskammern und den Solidaritätsvereinigungen der Angehörigen von Gefangenen erstellt wurden.

Der faschistische türkische Staat zögert in den letzten Jahren seiner mehr als 20-jährigen Ein Parteiherrschaft nicht, um dem Volk die Last einer der tiefsten Krisen aller Zeiten aufzubürden. Getrieben von immer größerer Profitgier und dem Willen dem nationalen und multinationalen Finanzkapital beste Ausbeutungsgrundlagen zu schaffen, bedient sich die faschistische AKP-MHP Regierung immer größer werdenden Unterdrückungsmethoden. Neben der Abschaffung des Streikrechts, ist massivster Staatsterror an der Tagesordnung. Durch die staatliche Politik hat sich die Türkei zu einem Land entwickelt, in dem Arbeiter*innen und Frauen systematisch ermordet werden.

Schon seit der Gründung des türkischen Staates gehört Unterdrückung und Gewalt gegen das Volk zur Staatspolitik. Jedoch war der „Putschversuch“ vom 15. Juli 2016 ein Wendepunkt. Das AKP-MHP Regime unter der Führung von Recep Tayip Erdogan rief nach dem „Putschversuch“ den Ausnahmezustand aus, welches nahezu alle Bevölkerungsschichten massiv unterdrückt. Dies trifft insbesondere für die Gefängnisse zu. Denn seit dieser Zeit hat die Zahl der Gefangenen stark zugenommen und einen historischen Höchststand erreicht.

Nach dem Erdbeben in der Türkei, Kurdistan und Syrien in der ersten Februarwoche, fand der faschistische türkische Staat eine neue Gelegenheit Gefangene anzugreifen. Um die Schande ihres Versagens und die Verantwortung für die vielen zehntausend Toten des Erdbebens zu verdecken und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit abzulenken, startete der faschistische türkische Staat eine neue Angriffswelle im In- und Ausland. So wurden unter dem Vorwand eines „Aufstandes“, Gefangene im Staatsgefängnis in der Stadt Hatay angegriffen und drei Gefangene getötet und 12 Gefangene zum Teil schwer verletzt. Dabei wollten die Gefangenen während des Erdbebens lediglich ihr Leben retten bzw. sich nach ihren Familienangehörigen erkundigen. Während die Menschen in den kurdischen Gebieten unter den Trümmern um ihr Leben kämpften, bombardierte die faschistische türkische Armee kurdische Dörfer und Städte.

Laut dem Bericht der Vereinigung der Zivilgesellschaft im Strafvollzug (CISST) vom 11. Februar 2023, waren in den Gefängnissen im Erdbebengebiet 17.600 Gefangene und 70.000 Familienangehörige vom Erdbeben betroffen.

Die Bedingungen der Gefangenen verschärfen sich zunehmend. Selbst jedwede Kritik oder Protest gegen das Regime wird mit Festnahme oder Haft bestraft. Menschen, die unter den Folgen der Wirtschaftskrise leiden und dagegen ihre Stimme erheben, werden zu „Staatsfeinden“ erklärt und landen in Folterkammern und Gefängniszellen. Der Kampf der politischen Gefangenen bildet die vorderste Front des Klassenkampfes und ist somit auch vordergründiges Ziel staatlicher Unterdrückung.

Die Menschenrechtsvereinigung IHD, die Plattform der Anwälte für Freiheit, die V ereinigung zeitgenössischer Anwälte, die Gefängniskommissionen der Anwaltskammern und die Solidaritätsvereine der Angehörigen von Gefangenen berichten regelmäßig über die Unterdrückung und Gewalt in den Gefängnissen der Türkei. Diesen Berichten zufolge setzt die Regierung ihre Politik der Unterdrückung, Gewalt und Ermordung in den Gefängnissen massiv fort.

1- FOLTER UND MISSHANDLUNG, LEIBESVISITATIONEN

In Sachen systematischer Folter und Misshandlungen steht die Türkei weltweit auf den oberen Listenplätzen. Diese hat sich nach dem „Militärputschversuch“ weiter massiv geändert. Nach dem Putschversuch und der Verhaftung von Soldaten und Generälen wurden Folter durch die Staatspresse legitimiert, Bilder und Videos der gefolterten Gefangenen wurden Tag für Tag gezeigt und Gefängnisse in Folterzentren umgewandelt. Laut dem Bericht über Menschenrechtsverstöße des Jahres 2022, sind 1280 Folterungen und Misshandlungen in türkischen Gefängnissen dokumentiert. Dies ist natürlich nur die Spitze des Eisbergs.

So werden bei Neueinlieferung und Verlegung in andere Gefängnisse, Gefangene gezwungen ihre Kleidung auszuziehen und einer menschenverachtenden Leibesvisitation unterzogen. Widerstand gegen die Nacktdurchsuchung wird mit körperlicher oder sexueller Gewalt „bestraft“ und zusätzlich mit vielen Disziplinarstrafen, wie z.B. mit Kommunikationsverboten, geahndet. Es gibt Prozesse, bei denen die Gefangenen monatelang nicht einmal Auskunft über ihren Aufenthaltsort an ihre Familien weitergeben können. Wenn sich Gefangene sich gegen die Nacktdurchsuchung und sexuelle Belästigung widersetzen,

werden diese mit Gewalt in schalldichte Gummizellen gesteckt und tagelang isoliert! Damit soll auch verhindert werden, dass die Misshandlungen medizinisch dokumentiert werden können. Kameras werden in die Zellen der Gefangenen platziert und somit die Privatsphäre und Ehre der Gefangenen verletzt. Manchmal gelangen Bilder von Videos von Folter und Misshandlungen an die Presse. Jedoch kommen Gefängnisverwaltung und Personal ohne jegliche Strafe davon, da für sie Straffreiheit gilt!

Berichten zufolge, werden die Durchsuchungen in den Zellen in Form von Razzien durchgeführt. Dabei werden die Sachen von Gefangenen verstreut, u.a. Briefe und Tagebücher willkürlich beschlagnahmt. Oft werden Hunde bei Durchsuchungen eingesetzt, um die Gefangenen einzuschüchtern. Auch das provokative Verhalten des Gefängnispersonals gegenüber den Gefangenen gehört zu den häufigsten Beschwerden. Während der Durchsuchungen wird den Gefangenen eine militärische Haltung auferlegt und wer sich nicht daran hält, muss mit Disziplinarstrafen und körperlicher Gewalt rechnen.

Ein weiteres Problem ist, dass Justizvollzugsbeamte und Wärter die Situation ständig eskalieren lassen, indem sie die Gefangenen beschimpfen, beleidigen und misshandeln. Das feindselige V erhalten gegenüber den Gefangenen und die Willkür in den Gefängnissen haben einen Höchststand erreicht.

2- RECHT AUF MEDIZINISCHE VERSORGUNG, KRANKE GEFANGENE

Von den zunehmenden Repressalien sind die kranken Gefangenen am stärksten betroffen. Die bereits vor dem Ausnahmezustand bestehenden Rechtsverletzungen werden fortgesetzt. Wie aus den Berichten hervorgeht, wird die Behandlung der Gefangenen und deren Transport ins Krankenhaus, aufgrund von „fehlenden Fahrzeugen und „Mangels an Personal“, verweigert.

Es gibt ersthafte Probleme bei der Behandlung von kranken Gefangenen. Die Gefangenen werden ihrem Schicksal überlassen. Der türkische Staat nimmt den Tod, von insbesondere politischen Gefangenen, billigend in Kauf. Patient*innen, die in bestimmten Zeitabständen zu Routineuntersuchungen gebracht werden müssen, werden unter scheinheiligen Begründungen nicht ins Krankenhaus gebracht. Auf dem Weg zum und vom Krankenhaus werden die Gefangenen gegen ihren Willen einer Leibesvisitation und einer Munduntersuchung unterzogen. Die Tatsache, dass bereits kranke Menschen in Gefangenentransportern befördert werden, die eine ungesunde Struktur aufweisen, führt dazu, dass sie sich ansteckende Krankheiten einfangen. Die Zuverlässigkeit des Gerichtsmedizinischen Instituts ist durch ihre voreingenommenen und unwissenschaftlichen Arbeitsweisen zerstört worden.

Seit Jahren müssen wir feststellen, dass der Staat und insbesondere die staatliche Gerichtsmedizin ihren Verpflichtungen in Bezug auf das Recht auf Leben und das Folterverbot nicht nachkommt. Die Gefährdung der Gesundheit von Gefangenen, insbesondere von schwerkranken Gefangenen, bedeutet einen Verstoß gegen das Recht auf Leben und das Verbot von Folter und Misshandlung. Auch die Ärzt*innen, die Gefangene behandeln, tragen rechtlich und ethische Verantwortung. Ohne Diskriminierung sollten alle Patient*innen unter gleichen Bedingungen und in Übereinstimmung mit den ethischen Grundsätzen der Medizin behandelt werden. Trotz dieser Tatsache müssen die Gefangenen während der Behandlung Handschellen tragen. Die Einführung des Ausweises für sogenannte „terroristische Straftäter*innen“ ist ein weiteres Hindernis für die Behandlung kranker Gefangener. Politische Gefangene, die sich weigern diesen Ausweis zu benutzen, werden nicht einmal ins Krankenhaus oder in die Krankenstation gebracht.

Das Recht der Gefangenen auf Zugang zu angemessener, regelmäßiger und gesunder Nahrung und die Verpflichtung, dies zu gewährleisten, ist in der Gesetzgebung geregelt. Die willkürlichen Praktiken, die diese Grundbedürfnisse und insbesondere das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit bedrohen, müssen sofort beendet werden. Es muss sichergestellt werden, dass Gefangene angemessene und gesunde Nahrung bekommen. Die Nichtbeachtung des Bedarfs an angemessener und gesunder Nahrung muss als Misshandlung gegen die Menschenwürde betrachtet werden.

Die Menschenrechtsvereinigung, die jedes Jahr einen Bericht über die Situation in den türkischen Gefängnissen erstellt, kommt in ihrem Bericht für das Jahr 2022 zu dem Ergebnis, dass mindestens 78 Gefangene in den Gefängnissen ums Leben gekommen sind, darunter 35 kranke Gefangene, die ermordet wurden, weil man ihnen das Recht auf Behandlung verwehrte. Heute befinden sich noch immer mindestens 1.517 kranke Gefangene in den Gefängnissen, von denen 651 schwer erkrankt sind.

Darüber hinaus sind 5.513 Gefangene 65 Jahre oder älter. Die Tatsache, dass einige von ihnen pflegebedürftig sind und seit vielen Jahren im Gefängnis sitzen, ist in keiner Weise mit den Menschenrechten zu vereinbaren.

3- HAFTBEDINGUNGEN, ZWANGSVERLEGUNG, DEPORTATION, ISOLATION

Stand Januar 2023 befinden sich in der Türkei und in Türkei-Kurdistan insgesamt 341.497 Personen, darunter 325.009 Männer, 13.977 Frauen und 2.511 Kinder in Gefängnissen. Die Gesamtzahl der Gefängnisse beträgt 399 und die Gesamtkapazität liegt bei 289.974 Personen. Obwohl die AKP- Regierung zwischen 2006 und 2022 269 neue Gefängnisse eröffnet und Millionen von Dollar ausgegeben hat, kann sie mit der Zahl der Gefangenen nicht Schritt halten, und die ohnehin schon unmenschlichen Haftbedingungen werden durch dieses Missverhältnis noch verschlimmert.

Die Überbelegung der Gefängnisse führt dazu, dass der persönliche Freiraum der Gefangenen eingeschränkt ist. Die Gefangenen müssen tagsüber stehen, weil es keine Stühle und Sitzgelegenheiten gibt. Die Schlafmöglichkeiten sind unzureichend, weil es nicht genügend Betten gibt. Die Gefangenen müssen oft vor Küchen- oder Toilettentüren schlafen. Es gibt unzureichende Belüftung und eingeschränkte Duschmöglichkeiten. Gesundheitliche Probleme aufgrund mangelnder Hygienebedingungen und eingeschränkter Aufenthaltsdauer im Gemeinschaftsbereich oder bei der Belüftung außerhalb der Zelle, sind allgegenwärtig. In vielen Gefängnissen ist die Verpflegung der Gefangenen deutlich unzureichend. Die Haftbedingungen haben ein unmenschliches und entwürdigendes Ausmaß erreicht.

Zu den gemeldeten Verstößen gehören ebenfalls die Verlegung von Gefangenen in andere Gefängnisse gegen ihren Willen. Aufgrund von Überbelegung sind die Gefangenen während der Verlegung psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt. V or allem für politische Gefangene ist der Verlegungsprozess zu einer Art Bestrafung geworden. Es gibt Berichte, dass Gefangene innerhalb eines Monats in drei verschiedene Gefängnisse verlegt wurden. Während der Verlegungen, die in Form von nächtlichen Razzien durchgeführt werden, dürfen die Gefangenen ihre Habseligkeiten nicht mitnehmen. Dabei werden lange Fahrten in luftleeren Gefangenentransportern durchgeführt. Abschiebungen, die ohne Benachrichtigung der Anwälte und Familien der Gefangenen durchgeführt werden, erschweren die Situation für die Familien, die sich in keiner guten finanziellen Lage befinden und nicht zu den Besuchen kommen können. Es wurde berichtet, dass Gefangene gegen die ein Verfahren läuft, an Orte verlegt werden, die weit von den Orten entfernt sind, an denen sie vor Gericht stehen oder das weibliche Gefangene in Männergefängnisse verlegt wurden.

Im größten Fall von Zwangsverlegungen in jüngster Zeit wurde das Hochsicherheitsgefängnis Typ D in Diyarbakir geräumt. Die Begründung war, dass bei den durchgeführten Untersuchungen nach den Erdbeben „die physischen Bedingungen nicht geeignet“ wären. Es betraf ca. 300 Gefangene.

Den Gefangenen werden ihre sozialen und kulturellen Rechte aufgrund von Überbelegung und Personalmangel verweigert und ihr Recht auf 10 Stunden Besuch pro Woche wird verletzt. Familienbesuche wurden eingeschränkt und das Recht Freunde zu besuchen wurde vollständig abgeschafft. Die Gefängnisverwaltungen beschränken das Recht auf Telefongespräche massiv ein.

Trotz der oben erwähnten Realität hinsichtlich der Belegungsrate in den Gefängnissen, hat die Regierung das Isolationssystem nicht aufgegeben. Die Isolation wird weiterhin in allen Gefängnissen in verschiedenen Formen angewandt, insbesondere die strenge Isolation und die Isolation im İmralı- Gefängnis. Sie wird in vielen Gefängnissen weiterhin als Strafmaßnahme durchgeführt. Die Isolation des PKK-Führers Abdullah Öcalan im Imrali-Gefängnis ist das strengste und offensichtlichste Beispiel für diese Politik. In den letzten zwei Jahren durfte niemand, nicht einmal Anwält*innen oder Familienangehörige, mit Abdullah Öcalan besuchen. Das letzte Mal durfte Öcalan am 25. März 2021 mit seinem Bruder telefonieren, nachdem in der Öffentlichkeit die Sorge um sein Leben bzw. Gesundheitszustand diskutiert wurde. Auch dieses Gespräch wurde von der Gefängnisverwaltung unterbrochen.

4- DISZIPLINARSTRAFEN, VOLLSTRECKUGSAUFHEBUNGEN

Gefangene, die sich gegen rechtswidrige Handlungen in Gefängnissen wehren, werden mit Disziplinarmaßnahmen konfrontiert. Diese Maßnahmen können Kontakt- oder Besuchsverbote umfassen, die mitunter sehr lange andauern können. Sobald eine Disziplinarmaßnahme abläuft, wird unmittelbar danach eine neue Disziplinarmaßnahme verhängt, um die Gefangen*innen vollständig von der Außenwelt zu isolieren, manchmal über Jahre hinweg.

Rechtswidrige Handlungen und Maßnahmen in Gefängnissen haben oft willkürliche Gründe. Das Singen eines Liedes oder der Wunsch/Antrag nach einem Zellenwechsel bei der Gefängnisverwaltung können ebenfalls zu Disziplinarmaßnahmen führen.

Die Vollstreckungsrichter*innen, welche die Berufungsinstanz für die Disziplinarstrafen der Gefangenen sind, treffen fast alle Entscheidungen zu Gunsten der Gefängnisverwaltung. Sobald politische Gefangene während der Haftzeit dreimal zu Einzelhaft verurteilt werden, wird das Entlassungsverfahren aufgrund von „mangelndem Wohlverhalten“ willkürlich in die Länge gezogen. Dieses Verhalten stellt eine häufige Verletzung der Menschenrechte in vielen Gefängnissen dar. Dadurch werden auch insbesondere die Freilassung von Gefangenen aufgehoben.

Wenn keine Disziplinarstrafe verhängt wird, können die Rechte der zu entlassenden Gefangenen aus Gründen wie „mangelndes Wohlverhalten“, „öffentliche Sicherheit“, „Gefahr für die Gesellschaft“ oder „mangelnde Bereitschaft zur Integration in die Gesellschaft“ aberkannt werden.

Mit der „Verordnung über Beobachtungs- und Klassifizierungszentren und die Bewertung von Strafgefangenen“, die am 01.01.2021 in Kraft getreten ist, wurde eine Reihe neuer Kriterien zur Bestimmung des Wohlverhaltens von Gefangenen eingeführt. Anstatt die Willkür der Gefängnisverwaltung zu unterbinden und zu verhindern, wurde mit dieser Verordnung die rechtliche Grundlage für die Missstände geschaffen. Infolgedessen wurde die Freilassung vieler Gefangenen verzögert. Das Recht auf Bewährung wird meistens nicht angewandt. Gefangenen, die vor dem Bewährungsausschuss erscheinen, werden irrelevante Fragen gestellt und gedrängt „Reue“ zu zeigen um von diesem „Privileg“ zu profitieren.. In einigen Ausschüssen wurde festgestellt, dass fremde Personen (z.B. Klempner) mit der Begründung teilnahmen, sie würden die Gefangenen besser kennen. Auch wenn der Staatsanwalt des Gefängnisses sich für eine Haftaufhebung entscheidet, können die Gefängnisverwaltungen dies ignorieren.

5- BESCHLAGNAHME VON BÜCHERN UND BRIEFEN, VERBOT VON VERÖFFENTLICHUNGEN DER OPPOSITION

Das willkürliche Verbot von Oppositionspublikationen in Gefängnissen (auch wenn sie nicht durch einen Gerichtsbeschluss verboten wurden) ist eine gängige Praxis. Diese Methode des Verbots wurde während des Ausnahmezustands eingeführt. In einigen Gefängnissen wurden sogar Publikationen der Mainstream- Opposition in die Liste der verbotenen Publikationen aufgenommen.

Zeitungen und Zeitschriften, die nicht Gegenstand einer Untersuchung des Putschversuchs waren oder die nicht durch die Notstandsgesetze zur Schließung oder Beschlagnahmung verboten wurden, werden dennoch in Gefängnissen willkürlich verboten. Diese diskriminierende und willkürliche Entscheidung stellt nicht nur einen neuen Angriff auf die Oppositionspresse und die Pressefreiheit dar, sondern ist auch ein Eingriff in das Recht der Gefangenen auf Zugang zu Informationen.

Den Berichten zufolge werden nicht nur das Lesen und Anschauen der Oppositionspresse verhindert, sondern auch Bücher und Briefe bei Durchsuchungen in den Zellen der Gefangenen beschlagnahmt. Die Gefangenen dürfen ihre Bücher bei Verlegungen nicht mitnehmen. Von außen zugesandte Bücher werden nicht angenommen und die Buchbeschränkung wird rechtswidrig angewandt.

Ein weiterer Punkt, der hier erwähnt werden sollte, ist die Beschlagnahmung von Briefen durch die Gefängnisverwaltung. Die Verhinderung von Kommunikationsmitteln wie Briefen und Faxen und deren verspätete Zustellung an den Empfänger ist ein weiterer Verstoß. Kommunikationsverbote für Gefangenen können monatelang andauern und sind mit Disziplinarstrafen verbunden. Selbst wenn diese Verbote aufgehoben werden, werden die Briefe und Anträge den Empfängern verspätet zugestellt und gehen „verloren“. Vor allem Briefe und Schreiben, in denen sich die Gefangenen über die

Haftbedingungen beschweren und die an verschiedene Stellen und an internationale Organisationen der Zivilgesellschaft geschickt werden sollen, können beschlagnahmt werden oder „verloren gehen“. Ziel ist es, die Beziehungen der Gefangenen zu lokalen oder internationalen Organisationen, die sich für sie einsetzen könnten, zu unterbinden. Insbesondere die Briefe, die Gefangenen an ihre Verwandten, Anwälte oder Menschenrechtsorganisationen schreiben und in denen sie die Praktiken im Gefängnis kritisieren, werden nicht an die zuständigen Personen weitergeleitet, da diese sich gegen das Gefängnispersonal richten und „falsche“ Aussagen über das Gefängnis machen würden.

Die kurdische Sprache ist in den Gefängnissen immer noch verboten oder als eine „unbekannte“ Sprache angesehen. Auf kurdisch verfasste Briefe werden mit der Begründung „unverständliche Sprache“ nicht ausgehändigt oder verschickt. Manchmal werden für kurdische Briefe sogar „Dolmetscher“-Gebühren verlangt. Auch in kurdischer Sprache verfasste Bücher werden den Gefangenen nicht ausgehändigt.

Schlussfolgerung:

Die öffentliche Meinung in Europa muss gegen die Verletzung der Rechte der Gefangenen in der Türkei sensibilisiert werden. Es ist wichtig, sich die Forderungen Gefangenen zu eigen zu machen. Mit diesem Bericht wollen wir auf die Bedeutung der Situation aufmerksam machen und Solidarität entwickeln. Wir möchten alle, die diesen Bericht lesen, ermutigen, sich für die Probleme der Gefangenen einzusetzen und die internationale Solidarität zu fördern und zu stärken.

10. März 2023

UPOTUDAK – Internationales Komitee für Solidarität mit politischen Gefangen*innen

 

PDF: UPOTUDAK- BERICHT ÜBER RECHTSVERLETZUNGEN IN TÜRKISCHEN GEFÄNGNISSEN