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Vier Tote bei Bombenexplosionen bei HDP
Vier Tote bei Bombenexplosionen bei HDP

Vier Tote bei Bombenexplosionen bei HDP

Vier Tote bei Bombenexplosionen bei HDP-Wahlkampfkundgebung in Amed (Diyarbakir)

Pressemitteilung vom Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 05.06.2015
Vier Tote bei Bombenexplosionen bei HDP

Vier Tote bei Bombenexplosionen bei HDP

Gegen 17 Uhr des heutigen Nachmittags kam es zu zwei schweren Bombendetonationen auf einer Kundgebung der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Amed (Diyarbakir). Bei dem Anschlag wurden nach ersten Erkenntnissen vier Menschen getötet, mehrere hundert Menschen, zum Teil schwer, verletzt. Während türkische Sicherheitskräfte mit Wasserwerfern und Tränengasgrantaten gegen die Kundgebungsteilnehmer vorgingen, appellierte der Co-Vorsitzende der HDP Selahattin Demirtas an die Protestanten nicht zum Spielball dieser Provokation zu werden.

Türkischer Energieminister Yıldız: Keine Explosion eines Trafos
Entgegen erster Berichte handelt es sich bei dem Anschlag laut des türkischen Energieministers Taner Yıldız um keine Explosion eines Trafos. Dadurch erhärtet sich der Verdacht, dass die Explosion durch einen Bombenanschlag verursacht wurde. Der Anschlag stellt den vorläufigen Höhepunkt in einer Reihe von Angriffen auf die HDP in den letzten Tagen dar
Bombenexplosion in der Nähe der Bühne
Angaben einer internationalen Wahlbeobachtungsdelegation aus Deutschland zu Folge hat sich die erste Detonation am Rande der Bühne ereignet. Etwa zwei Minuten später folgte die zweite Explosion, welche weitaus gewaltsamer als die erste gewesen sein soll. Weiter berichten die Wahlbeobachtungsteilnehmer, dass i n Folge dessen die türkische Polizei mit Wasserwerfern gegen die Menschenmenge vorgefahren ist.
Etwa 180 Angriffe auf die HDP
Die Anzahl das Gewaltattacken auf HDP-Kundgebungen, Parteibüros und Sympathisanten ist in der letzten Woche vor der Wahl drastisch gestiegen. Menschenrechtsorganisationen beziffern die Zahl der Angriffe auf über 180. Nach einem Angriff auf einen HDP-Wahlkampfwagen in Erzurum wurde der Fahrer des Wagens mit schweren Brandverletzungen auf die Intensivstation verlegt. Mehrere Tausend Angreifer, zum Teil mit Messern und Macheten ausgerüstet, attackierten die HDP-Kundgebung und setzen dabei mehrere Autos in Brand, in welchen sich teilweise noch Menschen befanden.
HDP-Mitglied Hamdullah Öğe wurde am Mittwochabend wurde in der Nähe seines Wohnortes Tod aufgefunden. Der erste Autopsiebericht spricht von schweren Folterspuren und etwa 30 Einschusswunden. Öğe war mit einem HDP-Wahlkampfmobil von einer Kundgebung auf dem Weg nach Hause.
Demirtas ruft zur Ruhe auf
In einem ersten Pressestatement rief Selahattin Demirtas, Co-Vorsitzender der HDP die Menschen dazu auf, nicht zum Spielball von Provokationen zu werden. Weiter fügte Demirtas hinzu, dass die Bevölkerung die Antwort auf den Vorfall am Wahltag des kommenden Sonntags geben wird. „Die HPD, der Frieden und die Freiheit werden siegen.“
Opposition wirft AKP Demagogie vor
Seit Wochen klagt die türkische Oppostion, dass die amtierende Regierungspartei AKP und der türkische Staatspräsident eine offene Volkshetze betreiben würde. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen werden seitens verschiedender Vertreter der Republikanischen Volkspartei (CHP) und der HDP als Resulat dieser aggressiven Demagogie bewertet. Bereits Tage zuvor kursierten in den türkischen Medien Gerüchte darüber, dass es zu ähnlichen Provokationen, wie heute in Amed, kommen würde.
Expertenmeinungen gehen davon aus, dass die AKP damit bestrebe den starken Aufwärtstrend der HDP kurz vor den Wahlen zu stoppen. Sollte die HDP die 10% Wahlhürde überschreiten, wird die AKP aller Voraussicht nach nicht mehr die alleinige Regierungsmehrheit aufbringen können. Durch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen HDP-Anhängern und Angehöriger anderer Parteien soll bestrebt werden eine Polarisierung zu erzeugen, die vor allem die westlichen Wähler davor abschrecken soll die HDP zu wählen.
Für weitere Informationen steht unser Mitarbeiter Müslüm Örtlülü, der sich im Rahmen einer Beobachtungsdelegation vor Ort befindet, unter der Nummer (0049) 1634621281 zur Verfügung.

Berichte der deutschen Wahlbeobachtungsdelegation, die an der Wahlkampfveranstaltung in Amed teilgenommen hat:
Explosionen auf der Wahlkampfveranstaltung der HDP in Diyarbakir am 05.06.2015
Bericht der Delegation
Wir sind als Delegation für die diesjährige Beobachtung der Parlamentswahlen gegen Nachmittag mit ca. 15 Personen zur letzten Wahlkampfveranstaltung der HDP in Diyarbakir gegangen. Mit uns strömen Zehntausende von Menschen auf den Platz und in die Straßen – Kinder, Frauen, Jugendliche, Männer. Alle tragen die kurdischen Farben sowie die Symbole der HDP. Die Stimmung ist ausgelassen, hupende Autos fahren an uns vorbei, immer wieder werden wir angehalten, angesprochen und mit dem Victory-Zeichen begrüßt. Der Platz vor der Bühne und die Straßen sind gefüllt, es wird getanzt und es werden Sprechchöre gerufen. Nach mehreren Konzerten kommen unterschiedliche kurdische und türkische Sprecher_innen auf die Bühne, die allesamt in ihren energievollen Reden für ein „neues, friedliches Zusammenleben aller kulturellen, religiösen und anderen Minderheiten“ werben. Die Stimmung ist hoffnungsvoll.
Kurz bevor der Co-Vorsitzende der HDP sprechen soll, gibt es plötzlich eine Detonation rechts vor der Bühne. Wir stehen etwas weiter hinten und können nicht richtig einschätzen was passiert. Menschen in der Nähe der Explosion sind offensichtlich in Aufregung. Nach ca. zwei Minuten gibt es eine zweite, stärkere Detonation, deren Druckwelle bis einige hundert Meter weit weg zu spüren ist. Eine Rauchwolke steigt über der Menschenmenge auf. Es wird hektischer und Leute tragen Verletzte zum Ausgang des Veranstaltungsgeländes. Die Verletzten haben verbrannte, zerrissene Kleider und blutige Wunden. Die strömen zunehmend zum Ausgang, es ist unklar, was genau passiert ist. Immer wieder transportieren normale Autos Verletzte davon, vereinzelt kommen Krankenwägen. Als wir das Gelände verlassen, ist die Polizei mit Wasserwerfern vorgefahren, was die Menge zusätzlich aufbringt. Es kommt zu Straßenschlachten.
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Anschlag auf grosses friedliches Fest  in Diyarbakir
Ca. 200.000 Menschen haben auf der Istasyon Meydani in der Hauptstadt der Kurden, die sie Amed nennen, friedlich gefeiert. Wir, Mitglieder der internationalen Delegationen, die zur Wahlbeobachtung hierher gekommen sind, sind ebenfalls dabei. Mehrere Kandidaten der HDP haben bereits gesprochen und sind bejubelt worden. Kurz bevor selahattin demirtas, der Spitzenkandidat und schlussredner der  HDP, sprechen kann, hören wir zwei Explosionen, eine sehr laut wie eine Bombe. Ein großer Trafo, auf dem mehrere Demonstranten gestanden hatten, scheint explodiert zu sein. Schnell macht die Nachricht die Runde, dass es mehrere Verletzte gegeben hat, man hört von abgetrennten Gliedmaßen, – dass es Tote geben wird, muss man befürchten. Inzwischen, 2 Stunden später, wissen wir von 200 Verletzten. Dann sprach selahattin demirtas und rief dringend dazu auf, nicht panisch zu reagieren.Wir waren alle ruhig und sahen zu, wie die Menschen eine Gasse bildeten. Alle waren diszipliniert, waren sich bewusst, dass es ums Ganze geht, dass Panik jetzt nicht sein darf. Unglaublich, wie wir alle solidarisch waren und die Ruhe bewahrten, im Herzen viel Angst. Aber als wir plötzlich bemerkten, dass es schwierig wurde zu atmen, die Augen zu tränen begannen, war klar, dass jetzt Tränengas eingesetzt wurde.  . 200.000 Menschen strebten dem einen Ausgang zu, von allen Seiten kam das Tränengas auf uns zu, Menschen tragen andere Menschen, alle halten sich Tücher vor die  Augen, vor die Nase, vor den Mund, während sie laufen, sich an den Händen haltend, sich vorwärtsziehend. Außerhalb des Platzes halten viele Autos an und laden flüchtende Menschen in ihre Autos. die ganze Zeit schwenken viele, die Blicke tauschen, die erhobenen Zeige- und Mittelfinger, das HDP-Zeichen. Um 19:30 im TV der Aufruf, Blut zu spenden und die Info, dass 2 HDP-Aktivisten eben in einem Autounfall bei einem Konvoi gestorben sind, in erzurum gibt es 70 Verletzte. Die Nachrichten sagen um 20:00, dass in Amed ein großes massaker geplant gewesen sei. Auf wen wird sich das wie auswirken? Wer geht am Sonntag trotzdem zur Wahl? Nur die, die immer noch nicht eingeschüchtert sind?
Vor dem hdp-Büro haben sich jetzt um 19 Uhr  wieder Zigtausende versammelt. Ich glaube, die  Rechnung der AKP wird nicht aufgehen. Die Menschen, kurd_innen, alevitinnen, yezidinnen, linke, homosexuelle, Demokraten, Künstler, Armenierinnen, Behinderte, Frauen, werden am Sonntag allen Einschüchterungen zum Trotz die demokratische Alternative wählen, die HDP.
Wir werden weiter berichten.
Barbara Cardenas, Mitglied des hessischen Landtages, Fraktion DIE LINKE
Emine Pektas, Mitglied des Landesvorstandes DIE LINKE Hessen

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