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Raketen ins Pulverfaß

DEUTSCHLAND | 09 – 01 – 2013 | Einsatz der Bundeswehr im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat begonnen. Rußland kündigt groß angelegte Marinemanöver im Mittelmeer und Schwarzen Meer an.
Die Bundeswehr hat am Dienstag mit der Verlegung von Patriot-Flugabwehrraketen in das türkisch-syrische Grenzgebiet begonnen. Zusammen mit 30 niederländischen Soldaten flogen 20 Bundeswehrsoldaten vom holländischen Militärstützpunkt Eindhoven in die Türkei ab und landeten am Nachmittag auf der Militärbasis Incirlik. Sie sollen die Stationierung der Waffensysteme vorbereiten. Parallel begann in Travemünde die Verladung von Raketen, Abschußrampen und Radaranlagen.Sie werden am 21. Januar im türkischen Mittelmeerhafen Iskenderun erwartet. Von dort sollen sie an ihren Bestimmungsort bei Kahramanmaras transportiert werden. Die Stadt liegt etwa 80 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. 27 US-Soldaten waren bereits am 3. Januar in Gaziantep eingetroffen. Die niederländischen Raketen sollen bei Adana stationiert werden. Insgesamt werden etwa 1000 NATO-Soldaten im Rahmen des »Active Fence Turkey« benannten Einsatzes in die Region verlegt. Patriot-Raketen aus den USA, Holland und Deutschland sollen den NATO-Partner Türkei auf dessen Bitte hin vor »Angriffen aus Syrien« schützen. Kommandiert wird der Einsatz von der integrierten Luftverteidigung der NATO im Militärstützpunkt Ramstein. Das Mandat ist zunächst bis Februar 2014 befristet.

Wiederholt hatten Bundeswehr und Regierung betont, es handele sich um einen »defensiven Einsatz«, es gehe nicht um die »Einrichtung einer Flugverbotszone« über Syrien. Mit einem Radius der Radargeräte von mindestens 120 Kilometer kann von den deutschen Systemen der Luftraum zwischen Aleppo und Azaz in Nordsyrien eingesehen werden. Azaz ist Stützpunkt von Islamistengruppen, die einen Grenzübergang zur Türkei kontrollieren und umliegende kurdische Ortschaften drangsalieren.

Unruhe verbreitet die Raketenstationierung im Iran. General Hassan Firouzabadi von den Streitkräften des Landes warnte bereits im Dezember vor der Rückkehr der Kuba-Krise von 1962. Jedes der Patriot-Raketensysteme sei »ein schwarzer Punkt auf der Weltkarte und könnte einen Weltkrieg auslösen.«

Der Politikprofessor und Vorsitzende der Syrischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen in Damaskus, George Jabbour, bezeichnete die Lage im Gespräch mit jW als »sehr gefährlich«. Anstelle alle Kräfte für eine »vernünftige politische Lösung und einen Waffenstillstand« zu bündeln, sehe es danach aus, als sei »die Berliner Mauer nach Syrien verschoben« worden, sagte Jabbour. »Wir sehen Patriot-Raketen der NATO im türkisch-syrischen Grenzgebiet und russische Kriegsschiffe in Tartus.« In dem syrischen Mittelmeerhafen ist eine relativ große Gruppierung der russischen Marine stationiert. Am 2. Januar hatte das Verteidigungsministerium in Moskau umfangreiche Manöver im Mittelmeer und im Schwarzen Meer unter Teilnahme von Verbänden der gesamten russischen Flotte für Ende des Monats angekündigt.

Der Bundeswehreinsatz in der Türkei sei Ausdruck einer »tumben Politik der Militarisierung«, kritisierte am Dienstag Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages und Sprecherin der Fraktion Die Linke für Internationale Politik. Sie warf der Bundesregierung vor, »keine Initiative für eine friedliche Beilegung des Konflikts« in Syrien unternommen zu haben. Statt dessen habe sie »mit ihren Verbündeten Schritt um Schritt die Lage weiter eskaliert«. Vernünftige Außenpolitik sehe anders aus. (Junge Welt)