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Caritas und Amnesty fordern: Asylwerber sollen arbeiten dürfen

Wien|21 – 06 – 2012| Küberl zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni: Fremdenrecht endlich humanisieren und vereinfachen statt „Schraube immer mehr anziehen“ – Patzelt: Rechtsberatung in Österreich „bestenfalls eine Rechtsbelehrung“

(KAP) Flüchtlinge sollen in Österreich endlich arbeiten dürfen und auch während eines noch laufenden Asylverfahrens zu ihrem Lebensunterhalt beitragen können. Diese gemeinsame Forderung von Caritas und Amnesty International (ai) erhoben Präsident Franz Küberl und Generalsekretär Heinz Patzelt am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Küberl plädierte für eine Gesetzesänderung nach dem Vorbild Liechtensteins. Dort stünde Asylwerbern der Arbeitsmarkt offen, bei positivem Ausgang ihres Verfahrens hätten sie dann ein Startgeld für den Aufbau einer Existenz, bei negativem Ausgang wäre Geld für die Rückkehr vorhanden.

Derzeit ist legale Erwerbsarbeit in Österreich beschränkt nur in bestimmten Bereichen des Tourismus und in der Landwirtschaft möglich. Diese Schranke solle im Interesse der Allgemeinheit und auch im Interesse der Flüchtlinge spätestens sechs Monate nach dem Asylantrag fallen, so die Forderung. Jugendliche sollten die Chance erhalten, eine Lehre zu beginnen. Denn teilweise jahrelang im „Wartesaal des Lebens“ zum Nichtstun verurteilt zu sein vergeude Kompetenzen und sei für die Betroffenen psychisch sehr belastend – zusätzlich zu den stets belastenden Umständen ihrer Flucht.

Küberl und Patzelt äußerten sich anlässlich des am 20. Juni begangenen Welttages der Migranten und Flüchtlinge. Initiiert wurde er 1914 Papst Benedikt XV. unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges, den dieser als „grauenhaft nutzlose Schlächterei“ brandmarkte. Mit seiner generellen Ächtung des Krieges habe er außerdem „den Austritt der katholischen Kirche aus der Kriegsgeschichte“ erklärt, so Küberl dazu; Benedikt XV. sei daher sein „Lieblingspapst“. „Der würdevolle Umgang mit Menschen auf der Flucht ist ein Gradmesser der Humanität“, betonte der Caritas-Präsident weiter.

Der Weltflüchtlingstag solle in Österreich Anlass sein, Gesetzgebung und Praxis auf dieses Ziel auszurichten und Verbesserungen vorzunehmen. Fremdenrechtsnovellen seien in den vergangenen Jahren nach einem „Kalt-Warm-System“ erlassen worden: Erleichterungen und Vereinfachungen seien parallel zu Verschärfungen erfolgt, mit dem Ergebnis einer immer größerer Komplexität und einer auch für Fachleute ungemein komplizierten Gesetzesmaterie. Es sei an der Zeit, das Fremdenrecht nach vernünftigen Kriterien endlich zu humanisieren und zu vereinfachen statt „Schrauben immer mehr anzuziehen“.

Konkret forderte er neben Arbeitsmöglichkeiten für Asylwerber – für die auch Bürgermeister mit einer großzügigeren Auslegung gemeinnütziger Arbeiten sorgen könnten – verbindliche Qualitätsstandards für Flüchtlingsquartiere und mehr Rechtsicherheit. Bescheide würden etwa oft nicht schriftlich erfolgen, was eine Berufung unmöglich mache.

Küberl schilderte den Fall einer 2004 nach Österreich geflohenen tschetschenischen Familie, deren Asylantrag erst nach sechs Jahren positiv erledigt wurde. Untergebracht war die Familie lange Zeit in einem abseits gelegenen Ort in der Steiermark, was zum Problem wurde, als eine Tochter krebskrank wurde und zu regelmäßigen Untersuchungen ins ferne Spital musste. Es fehlte an Geld für den Transport, so führte der Familienvater seine Tochter mit dem Fahrrad – „eine Geschichte, die mir sonst nur im tiefsten Afrika unterkommt“, wie Küberl kommentierte. Die Caritas bewirkte die Verlegung der Familie in eine Bezirkshauptstadt, wo alle gut Deutsch lernten und sich bestens integrierten. Bis auf den Bereich Arbeit, wie Küberl berichtete: Die jetzt weit über 50-jährigen Eltern hätten nach Jahren der verordneten Untätigkeit kaum mehr Chancen am Arbeitsmarkt.

Amnesty-Kritik an „Rechtsberatung“

ai-Generalsekretär Patzelt bemängelte, dass die Rechtsberatung für Asylsuchende in Österreich „im besten Fall eine Rechtsbelehrung“ sei. Patzelt nannte das österreichische System „unlogisch“, da Flüchtlinge in der ersten Instanz gar keine Rechtsberatung erhalten würden. In der zweiten Instanz bekämen sie diese schon, allerdings nur in sehr eingeschränkter Form.

Ein weiteres Manko sei, dass der Beratende eine „Berichtspflicht“ an den Staat habe. Das bedeute, dass der Staat über ein Gespräch, welches eigentlich vertraulich sein sollte, Bescheid weiß. Zusätzlich kommt hinzu, dass das Gespräch „objektiv“ sein müsse und deshalb nicht ausschließlich im Sinne des Betroffenen erfolge. Patzelt bemühte für diese Situation einen Vergleich. Man müsse sich nur vorstellen, dass ein Rechtsanwalt nach jedem Gespräch mit seinem Mandanten zum Richter gehen und diesem alles detailliert berichten müsse. Zu fordern sei eine Rechtsberatung, die vertraulich und im Interesse des Betroffenen geschähe.

 Mittelmeer als „Massengrab“

Laut dem aktuellen Amnesty-Bericht „S.O.S. Europe – Human Rights and Migration Control“ sind im vergangenen Jahr 1.500 Menschen auf ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrunken. Die EU sei laut Patzelt „nicht für alle, aber für viele Tote verantwortlich“. Er übte Kritik daran, dass selbst private Urlauber, die mit ihrem Segelboot Flüchtlingen in Seenot helfen wollen, anschließend nicht mehr in den Hafen gelassen werden. Diese müssten die Flüchtlinge zuvor an einem anderen Ort absetzen.

Selbst im Zweiten Weltkrieg war es bis auf eine Ausnahme im deutschen U-Boot-Krieg eine von den Konfliktparteien akzeptierte Regel, dass in Seenot Geratenen – und seien es Feinde von einem versenkten Schiff – vor dem Ertrinken gerettet werden müssen. Dieses Prinzip auch des internationalen Seerechtes werde nun an den EU-Außengrenzen permanent mit Füßen getreten. „Diese Barbarei muss aufhören“, so Patzelt.

 

M.Ali Yalcınkaya