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Widerstand in Athen

ATHEN | 03 – 05 -2010 | Die Griechen müßten »große Opfer« bringen, sagte Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Sonntag nach der Einigung Athens mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf ein drastisches »Sparpaket« in Höhe von 30 Milliarden Euro. Sein Finanzminister Giorgos Papakonstantinou präsentierte dessen Details: Die erst im März erhöhte Mehrwertsteuer wird noch einmal um zwei Punkte auf jetzt 23 Prozent angehoben. Das 13. und 14. Monatsgehalt bei Angestellten des öffentlichen Dienstes werden auf jeweils 500 Euro zusammengestrichen, den bei den ehemaligen Staatsbetrieben für Strom, Wasser und Telekommunikation Beschäftigten die Löhne um drei Prozent gemindert. Allen Rentnern werden Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld auf insgesamt 900 Euro gekürzt. Das Renteneintrittsalter wird erhöht. Hinzu kommen Kürzungen bei den Überstundenlöhnen sowie ein schlechterer Kündigungsschutz bei gleichzeitiger Minderung der Abfindungen – all das unter dem wohlfeil klingenden Motto »Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit«. Im Gegenzug kann Athen von IWF und EU »Hilfe«, das heißt Kredite, in Höhe von 110 Milliarden Euro erwarten, um eine Staatspleite abzuwenden.

Die Gewerkschaften Griechenlands setzten ihren Widerstand gegen das Rotstiftdiktat aus Brüssel, Berlin und Washington fort. Heute streiken die städtischen Angestellten in Athen, die Mittel- und Oberschullehrer haben für Dienstag und Mittwoch einen 48stündigen Ausstand ausgerufen. Am Mittwoch soll ein weiterer Generalstreik das Wirtschaftsleben in Hellas lahmlegen. Am Samstag hatte Griechenland die größten 1.-Mai-Demonstrationen seit vielen Jahren erlebt, obwohl die offiziellen Gewerkschaftsdachverbände GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) versucht hatten, die Proteste so gering wie möglich zu halten. Tatsächlich waren nur wenige hundert, meist Funktionäre, dem Aufruf der Dachverbände zu einem »Maikonzert« gefolgt. Dafür schlossen sich mehrere zehntausend Menschen allein in der Hauptstadt einem der drei alternativen Protestzügen an.

Die mit Abstand größte Maidemonstration wurde von der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME organisiert. »Für das Volk ist es vollständig egal, wie viele Milliarden dem griechischen Staat gegeben werden, denn das Kapital wird die Lohnabhängigen nur noch härter ausbeuten«, erklärte Aleka Papariga, Generalsekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), bei der Auftaktkundgebung direkt vor dem griechischen Parlament. Es sei höchste Zeit für eine allgemeine Volksbewegung mit dem Ziel des Systemsturzes.

Gruppen der außerparlamentarischen Linken, Dutzende Basisgewerkschaften und anarchistische Kräfte mobilisierten zu einer weiteren Demonstration. Die Bandbreite ihrer Forderungen reichte von der Rücknahme der Sparmaßnahmen über die Ausrufung eines permanenten Generalstreiks bis zum Austritt Griechenlands aus der EU (radikale Linke) beziehungsweise zur Zerschlagung der repräsentativen Demokratie und der Abschaffung der »Lohnsklaverei« (anarchistische Gruppen).

Das von tiefen Widersprüchen gekennzeichnete Linksbündnis ­SYRIZA versuchte wiederum, »auf zwei Hochzeiten zu tanzen« und mobilisierte einerseits zur Auftaktkundgebung der außerparlamentarischen Linken. Statt mit diesen gemeinsam zu demonstrieren, statteten die ­SYRIZA-Anhänger jedoch in einem eigenen Zug dem »Maikonzert« der Dachverbände eine Stippvisite ab. (Heike Schrader)