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Ein Interview von Journalists for Mumia (J4M) mit Suzanne Ross

susannerossNEW YORK | 02 – 11 – 2009 | Zur Petition an den US-Justizminister Eric Holder, mit der eine Bürgerrechtsuntersuchung des Todesstrafenfalls von Mumia Abu-Jamal gefordert wird

Frage: Suzanne, als Sprecherin der New York Coalition to Free Mumia Abu-Jamal und eine der Koordinatorinnen der Kampagne für eine Bürgerrechtsuntersuchung des Falles von Mumias Abu-Jamal, kannst du uns sagen, was der momentane Stand in diesem Fall ist?

Nun, genau jetzt, zum Zeitpunkt dieses Interviews warten wir auf die Entscheidung des obersten US-Gerichts, des US Supreme Court, darüber, ob das Urteil gegen Mumia in Übereinstimmung mit der Entscheidung zweier Bundesgerichte „lebenslange Haft ohne Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung“ sein soll oder ob diese Entscheidung aufgehoben werden und damit das ursprüngliche Todesurteil bestätigt werden soll.

Sowohl diese beiden niedrigeren Bundesgerichte als auch – im April diesen Jahres – der US Supreme Court haben es abgelehnt, Mumia ein neues Verfahren zu gewähren, in dem es um seine Schuld oder Unschuld geht.

Frage: Kannst du uns erklären, was eine Bürgerrechtsuntersuchung ist, und warum sich die Petition, von der wir hier reden, an den US-Justizminister richtet? Worum ging es denn bei dem ehemaligen Senator Ted Stevens, dessen Fall in der Petition erwähnt wird, und was hat Justizminister Eric Holder in diesem Fall getan?

Das Justizministerium und seine Bürgerrechtsabteilung haben beträchtliche Befugnisse, sich in Fälle einzumischen, in denen die Bürgerrechte Einzelner oder von Gruppen verletzt werden. Der Ex-Senator des Staates Alaska, Ted Stevens, wurde von einem Gericht wegen Korruption verurteilt. Und gerade der neue Justizminister Obamas, Eric Holder, hat eine sehr aggressive Rolle bei der Aufhebung dieses rechtswidrigen Urteils gegen Ex-Senator Stevens wegen angeblicher Korruption gespielt. Dabei ging es um Beweismaterial, das der Ankläger Stevens und seinen Anwälten vorenthalten hat und das zu einem Freispruch hätte führen können.

Dazu hat der Präsident des New Yorker Ortsverbands der National Lawyers Guild erklärt, dass es im Fall Mumias noch viel mehr unterdrückte Beweise gibt, die zu einem Freispruch hätten führen können, als im Fall von Stevens. Schließlich zieht sich Mumias Fall jetzt fast 28 Jahre hin, und so wissen wir eine ganze Menge darüber.

Ein Beispiel dafür sind die Fotos, die Michael Schiffmann öffentlich gemacht hat. Die Tatsache, dass sie in glattem Widerspruch zur Anklageversion der Ereignisse am Tatort stehen, könnte in einem neuen Verfahren sicherlich zu einem Freispruch für Mumia führen. Ganz zu schweigen von den vielen anderen Faktoren: Meineidige, unter Druck der Polizei zustande gekommene Zeugenaussagen, Fehlverhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft, Rechtsbeugung durch die Gerichte…

Frage: Kannst du uns einige der groben Verletzungen der verfassungsmäßigen Rechte Abu-Jamals nennen, von denen die Petition an Eric Holder spricht?

Das vielleicht bemerkenswerteste Beispiel ist die eidesstattliche Erklärung einer äußerst glaubwürdigen Zeugin, nämlich einer ehemaligen Gerichtsstenografin, die darin erklärt, sie habe persönlich gehört, wie der Verfahrensrichter in einem anderen Gerichtszimmer zu einem Kollegen sagte, „Ich werde ihnen [der Staatsanwaltschaft] helfen, den Nigger zu grillen.“

Wenn  der Richter sich, schon bevor der Fall überhaupt verhandelt worden ist, darauf festlegt, dass er sich für einen bestimmten Ausgang einsetzen wird, ist das eine Verletzung des Gebots richterlicher Neutralität. Ein faires Verfahren ist ein verfassungsmäßiges Recht, das jeder Person in den Vereinigten Staaten zusteht.

Davon abgesehen sind auch die Rassenvoreingenommenheit und der Rassenhass, die an diesem Vorfall deutlich werden, völlig inakzeptabel, und hier haben wir nur ein einzigen, wenn auch sehr wichtigen Aspekt in einem Fall, der von vorn bis hinten von Rassismus durchdrungen ist.

Die Handhabung der Beweise und darunter besonders der ballistischen, bei der zum Beispiel ein Teil der in Obhut der Polizei befindlichen tödlichen Kugel einfach verschwand, hat Mumia daran gehindert, dieses Beweismaterial zu nutzen, um einen Freispruch zu erreichen. Die Einschüchterung von Zeugen durch die Polizei, falsche Anweisungen des Richters an die Jury und rechtswidriges Auftreten des Anklägers – all das ist Teil eines systematischen Vorgehens, mit dem die Hinrichtung Mumias sichergestellt werden sollte, indem verhindert wurde, dass entscheidend wichtige Informationen, die Mumias Unschuld beweisen, ans Licht kommen.

Frage: Du hast uns kürzlich berichtet, dass ihr sogar aus dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Haiti etwa Tausend Unterschriften bekommen habt. Wie viele Unterschriften gibt es bis jetzt insgesamt, und kannst du mir die Namen einiger Personen und Organisationen nennen, die die Petition unterstützen?

Wir haben viele Tausende Unterschriften bekommen, sowohl online über die Website der Petition http://www.iacenter.org/mumiapetition als auch in schriftlicher Form. Vor Anfang November werden wir nicht wissen, wie viele es genau sind. Und natürlich hoffen wir, dass die Zahl möglichst hoch wird! Am 12. November sollen die unterschriebenen Petitionen und Petitionsausdrucke in einer publikumswirksamen Aktion dem Justizministerium übergeben werden.

Unterstützt wird die Kampagne von Leuten wie dem Kulturwissenschaftler Cornell West, der bedeutenden Schauspielerin und Witwe des Schauspielers Ossie Davis, Ruby Dee, dem Direktor des Schomburg Center Howard Dodson, der ehemaligen Kongressabgeordneten Cynthia McKinney, dem Kongressabgeordneten Charles Rangel, dem bekannten Schauspieler Dick Gregory, und vielen anderen mehr.

Außerdem haben wir Unterstützer wie die Tochter des berühmten Schriftstellers Richard Wright, Julia Wright, Mireille Mendes-France (die Tochter von Frantz Fanon), Patrick Braoezec (ehemaliger Bürgermeister der Pariser Vorstadt St. Denis und französischer Parlamentsabgeordneter), das International Action Center, führende Persönlichkeiten der größten und ältesten Bürgerrechtsorganisation der USA, der NAACP, sowie die Organisation selbst, das Komitee gegen die unfaire Behandlung von Afrikanern in den Medien, die Leitung der Pfarrei der Riverside Church in New York, und, und, und…

Hoffentlich kommen in der jetzt verbleibenden Zeit auch noch viele aus Deutschland hinzu.

Was können wir sonst noch tun, um Mumias Leben zu retten und seine Freiheit zu erkämpfen?

Übt Druck auf Politiker und bekannte Personen des öffentlichen Lebens aus, damit sie die Kampagne unterstützen und vielleicht sogar zur Überreichung der Petition an den Justizminister am 12. November in die USA kommen! Schreibt Leserbriefe an die deutschen Zeitungen, verbreitet Informationen über den Fall in der Öffentlichkeit! Wir alle müssen aufklären und agitieren und dürfen nicht lockerlassen, bis Mumia frei ist und die Gerechtigkeit gesiegt hat.

16. Oktober 2009