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Schäubles Horrorliste

schaeubleBERLIN | 26 – 09 – 2009 | Voyeur Schäuble: Ist man demnächst nicht einmal auf der Toilette vor dem Innenminister sicher?

Das Bundesinnenministerium will nach der Wahl die Geheimdienste massiv stärken und die Überwachung der Bevölkerung weiter ausbauen. Das berichtete am Freitag die Süddeutsche Zeitung (SZ), der ein internes Konzept aus der Behörde von Wolfgang Schäuble (CDU) vorliegt. Innenstaatssekretär August Hanning erklärte dazu, das Papier sei eine Übersicht über »die erledigten und noch offenen fachlichen Punkte«. Das Konzept mit dem Titel »Vorbereitung Koalitionspapier« datiert vom 22.September und sieht Maßnahmen vor, die nach derzeitigem Stand schlicht verfassungswidrig sind.

Ziel des Papiers sei es, so die SZ, »die Aufgaben von Verfassungsschutz und Polizei zusammenzufassen.« Der Geheimdienst soll künftig Online-Durchsuchungen von Privatcomputern durchführen können. Das Gesetz – das derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft wird – erlaubt dies bisher nur dem Bundeskriminalamt (BKA). Gefordert wird außerdem, dem Verfassungsschutz zu erlauben, heimlich Wanzen und Videokameras in Privatwohnungen anzubringen – auch das ist bisher in der Regel dem BKA vorbehalten.

Die Befugnisse verdeckter Ermittler sollen erheblich ausgeweitet werden. Dabei geht es insbesondere um V-Leute in kriminellen und »extremistischen« Vereinigungen: Sie sollen einen Freibrief dafür erhalten, »szenetypische« Straftaten zu begehen, wenn sie durch Diebstähle, Betrügereien oder sogar Körperverletzungen ihre Glaubwürdigkeit innerhalb der beobachteten Gruppen stärken können. Allerdings ist zu befürchten, daß die Banden die Anforderungen an solche »Glaubwürdigkeitstests« nach oben schrauben, wenn die neue Regelung Gesetz wird. Man kann sich unschwer vorstellen, was das gerade für V-Leute in der Naziszene bedeuten würde: »Szenetypisch« sind dort antisemitische Haßpropaganda und Hetzjagden auf Linke und Migranten. Wenn verdeckte Ermittler auch dabei mitmachen, hat der Rechtsstaat jeden Halt verloren.

Die Speicherung des genetischen Fingerabdrucks will die Schäuble-Behörde in Zukunft als »erkennungsdienstliche Standardmaßnahme« einführen, also obligatorisch schon beim kleinsten Verdacht. Bisher sind DNA-Proben nur bei schweren Straftaten erlaubt.

Das Papier wurde vom Ministerium als »Wunschzettel« dargestellt. FDP und Linkspartei sprachen hingegen von einer »Horrorliste«. Der Plan zeige, daß das Innenministerium »jedes Maß verloren habe«, so die Linksfraktion in einer Pressemitteilung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Thomas Oppermann sagte über Schäuble: »Er überschreitet die roten Linien einer rechtsstaatlichen Innenpolitik«. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte davor, die Trennung von Polizei und Geheimdiensten aufzuheben. Das Ministerium erklärte am Freitag, Schäuble sei das Papier noch gar nicht vorgelegt worden.

Erst vorige Woche hatte Schäuble vorgeschlagen, auf die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste ganz zu verzichten: »Wir benötigen eine andere Art der Kontrolle der Nachrichtendienste, vielleicht sollten wir eine bestimmte Persönlichkeit dafür berufen«, hatte er auf einem Sicherheitskongreß in Berlin gefordert. Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Neskovic, warnte gestern, ein allmächtiger Geheimdienst wäre »für Demokratie und Rechtsstaat eine sehr ernste Bedrohung.«

Von Ulla Jelpke