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Internationaler Tag der politischen Gefangenen 18. März

Auch der diesjährige 18. März als Internationaler Tag der politischen Gefangenen ist Anlass, darauf hinzuweisen, dass Aktivist*innen der kurdischen Freiheitsbewegung sowie linker türkischer Organisationen nicht nur in der Türkei die Haftanstalten füllen.

Seit 2011 werden auch in Deutschland lebende Kurdinnen und Kurden auf der Grundlage des §129a/b StGB (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung) angeklagt, inhaftiert und zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Derzeit befinden sich 11 Kurden in deutschen Gefängnissen.

Dabei beschränkte sich die für die §129b-Verfahren zuständige Bundesanwaltschaft bei der Strafverfolgung nicht auf Personen, die sich in Deutschland aufhalten. Die meisten der neuen Anklagen im letzten Jahr erfolgten gegen Personen, die zuvor auf der Grundlage des europäischen Haftbefehls nach Deutschland ausgeliefert worden waren. Die Auslieferungen erfolgten aus Frankreich, Italien und Zypern. Aktuell ist ein Auslieferungsantrag der deutschen Justiz in Schweden anhängig.

Erst in der letzten Woche erfolgten zwei weitere Verurteilungen gegen in Deutschland lebende politisch aktive Kurden: Sabri Çimen wurde am 13. März vom OLG Koblenz zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Seine Auslieferung aus Frankreich erfolgte im Januar letzten Jahres. Das OLG München verurteilte am Freitag Tahir Köcer zu 2 Jahren und 5 Monaten. Bis Juni 2021 war er Ko-Vorsitzender der bundesweiten Konföderation kurdischer Organisationen KON-MED und damit einer der wichtigsten Repräsentanten der kurdischen Community in Deutschland. Ebenso ist er Mitglied im Kurdistan Nationalkongress (KNK), dem kurdischen Exilparlament.

Dem größten Teil der Angeklagten werden keine individuellen Straftaten vorgeworfen, sondern legale politische Tätigkeit kriminalisiert – wie das Organisieren von Veranstaltung und Demonstrationen. Die Strafbarkeit dieser Tätigkeiten sieht die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe allein dadurch gegeben, dass die Personen angeblich in PKK-Strukturen eingebunden seien. Belegt wird dies in den Prozessen im Wesentlichen durch oft monatelang durchgeführte Telefonüberwachungen und Observationen.

Dass Anklagen und Inhaftierungen nach dem §129a/b politisch motiviert sind, zeigt eine Besonderheit dieses Paragrafen: Ermittlungen dürfen erst geführt werden, wenn eine entsprechende Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium vorliegt. Damit bestimmen nicht objektive Maßstäbe darüber, welche ausländischen Organisationen juristisch verfolgt werden, sondern die außenpolitischen Interessen der Bundesregierung.

Tragisch ist, dass eine Reihe der Gefangenen schon in der Türkei einen großen Teil ihres Lebens in Haft verbringen mussten und zumeist schwersten Folterungen ausgesetzt waren. Weil auch nach der Haftentlassung die Verfolgung fortgesetzt wurde, sahen sie sich gezwungen, nach Deutschland zu fliehen und um politisches Asyl zu ersuchen. Doch ihre Hoffnung, hier legal gegen das staatliche Unterdrückungssystem der Türkei arbeiten zu können, erwies sich als Trugschluss. Mit ähnlichen Vorwürfen wie in der Türkei finden sie sich auch hier als „Terrorist“ stigmatisiert wieder hinter Gittern.

Die aktuellen Probleme des Mittleren Ostens und die historischen Hintergründe des türkisch-kurdischen Konflikts lassen sich weder mit dem Strafrecht noch durch die Inhaftierung einzelner Personen lösen.

Deshalb ist es längst überfällig, das seit 28 Jahren bestehende PKK-Verbot ebenso abzuschaffen wie die §§129, 129a und b StGB, um der Kriminalisierung die Grundlage zu entziehen und die Energie darauf zu fokussieren, Wege für eine politische Lösung der Konflikte zu finden.

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Köln, den 17.03.2024