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Der abgeführte Betriebsrat

Mit Arbeitern »nach Belieben umspringen, um die Rendite zu erhöhen« (Gourmet-Lieferung am Gate)

Die Auseinandersetzung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat von Gate Gourmet (GG) am Flughafen in Frankfurt am Main ist vor drei Wochen eskaliert, nun stehen sich beide Seiten unversöhnlich vor Gericht gegenüber. Seit Jahren wird bei GG mit harten Bandagen gekämpft. Immer wieder kommt es zu Gerichtsprozessen und Protesten der Beschäftigten gegen die dubiosen Geschäftspraktiken des Cateringunternehmens. GG ist eine Tochtergesellschaft der Gategroup Holding AG mit Sitz in schweizerischen Glattbrugg. Die auf Airlinecatering spezialisierte Gruppe beschäftigt rund 28.500 Mitarbeiter an mehr als 130 Standorten in 35 Ländern auf sechs Kontinenten.

Gültekin Malci ist seit langem Betriebsratsvorsitzender am Standort Frankfurt. Schon bei der Vorgängergesellschaft LSG Sky, die 2019 von Gate Gourmet aufgekauft wurde, setzte sich der Gewerkschafter für die Beschäftigten ein, etwa wenn die Geschäftsleitung versuchte, durch Outsourcing von Bereichen Lohnkosten einzusparen.

In der aktuellen Auseinandersetzung geht es darum, dass im März Löhne wegen einer angeblichen Überzahlung aus dem Vorjahr einbehalten wurden, in manchen Fällen dreistellige Beträge. Das Vorgehen widerspricht dem geltenden Tarifvertrag, dessen Einhaltung unter anderem von der Gewerkschaft Verdi angemahnt wurde.

Malci setzt sich zudem für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter aus Bulgarien ein, die als ungelernte Kräfte unter besonders miesen Bedingungen schuften. In einem Brief an das Management kündigte er rechtliche Schritte an, sollten ihre Arbeitsumstände nicht verbessert werden. Als Reaktion auf diesen Widerstand gegen die Zustände bei Gate Gourmet wurde Gültekin Malci am 18. April suspendiert und während einer Versammlung von der Polizei abgeführt, unter lautem Protest seiner anwesenden Kolleginnen und Kollegen.

»Ich begleite die Auseinandersetzung bereits seit mehreren Jahren und bin entsetzt über die Methoden von Unternehmen wie der LSG oder Gate Gourmet, die der Meinung zu sein scheinen, dass man mit Arbeiterinnen und Arbeitern nach Belieben umspringen kann, nur um die eigene Rendite zu erhöhen«, nahm Christiane Böhm, Linke-Landesvorsitzende in Hessen, Stellung zu der betrieblichen Auseinandersetzung. Die Linkspartei fordere das Unternehmen auf, die Löhne schnell nachzuzahlen und den Betriebsratsvorsitzenden wieder seine Arbeit machen zu lassen.

Das Vorgehen erinnert an Gate-Gourmet-Vorläufer LSG-Sky, eine Lufthansa-Tochter, die die Beschäftigten um ihre Betriebsrente betrog. Das Unternehmen schloss in der Regel Abrufverträge auf niedriger Stundenbasis ab und zahlte auf dieser Basis Betriebsrentenbeiträge ein. Die Mitarbeiter arbeiteten deutlich mehr Stunden im Monat, als für die Rente erfasst wurden. So sparten LSG-Sky beziehungsweise Rechtsnachfolger Gate Gourmet enorme Beträge. Vielfach war in diesem Zusammenhang von Versicherungsbetrug die Rede. Nach dreieinhalb Jahren Prozessen siegten die Beschäftigten 2021 vor dem Bundesarbeitsgericht. In der Folge musste Gate Gourmet tief in die Tasche greifen und die vorenthaltenen Betriebsrentenabgaben nachzahlen.

Das dürfte die Geschäftsleitung dem Betriebsrat nicht verziehen haben, vermutete die Initiative Work Watch, die gegen »Bossing und Union-Busting« kämpft und die Vorgänge am Flughafen im Blick hat. In einer Stellungnahme der Föderation der Arbeiter aus der Türkei (ATIF) wurde ein systematisches Vorgehen von Gate Gourmet erkannt und zur Solidarität mit Malci aufgerufen. Der Gewerkschafter geht gerichtlich gegen das Hausverbot vor. Er freue sich über »enorme Solidarität innerhalb und außerhalb des Betriebes«, sagte Malci am Mittwoch bei einem Anhörungstermin des Arbeitsgerichts zu jW. Eine Entscheidung des Gerichts lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Quelle: JungeWelt