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London zieht durch

Großbritanniens konservative Innenministerin Priti Patel hat sich durchgesetzt: Trotz aller Kritik hat das britische Unterhaus am Mittwoch ihr »Nationality and Borders Bill« mit 298 zu 231 Stimmen in dritter und letzter Lesung durchgewunken. Die Befürworter einer radikalen Abschottung nach außen wie nach innen haben sich also durchgesetzt. Jetzt muss das Gesetz im neuen Jahr lediglich das Oberhaus passieren, um in Kraft zu treten.

Damit wird das britische Asylsystem weitgehend außer Kraft gesetzt und es werden diejenigen kriminalisiert und bestraft, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sowie jene, die Flüchtende aus Seenot retten. Asylverfahren sollen in andere Länder ausgelagert, Schutzsuchende für die Dauer der Antragsbearbeitung weggesperrt und das illegale Zurückdrängen von Booten auf See – sogenannte Pushbacks – legitimiert werden. Darüber hinaus sollen Grenzbeamte, die das umsetzen, straffrei bleiben, sollten Flüchtende dabei sterben. In den Worten des Innenministeriums: »Schaffung eines schnelleren und gerechteren Systems, das die Schwächsten unterstützt«, und »kriminelle Banden daran hindern, aus menschlichem Elend Profit zu schlagen«. Den möchte London nämlich selbst generieren: Am Tag des bislang schrecklichsten Fluchtunfalls vor zwei Wochen (mit 27 Toten), veröffentlichte London eine neue Hochglanzbroschüre, in der »potentiellen Kunden die vielfältigen Möglichkeiten des Vereinigten Königreichs im Bereich der Grenzsicherung« vorgestellt werden.

Mit einem neuen Zusatz sind zudem auch Bürger mit Migrationsgeschichte bedroht, die über die doppelte Staatsbürgerschaft verfügen. Ihnen könnte ohne Vorwarnung ihre britische Staatsangehörigkeit entzogen werden. Diese Möglichkeit gibt es bereits seit 2006. Jetzt soll die Regierung jedoch von der Pflicht befreit werden, einen solchen Entzug mitzuteilen, wenn die Behörden nicht über die Kontaktdaten verfügten, es nicht »vernünftig praktikabel« sei oder aber nicht im Interesse der nationalen Sicherheit, der diplomatischen Beziehungen oder sonst im öffentlichen Interesse liege. De facto also die Abschaffung des Rechts auf Einspruch.

Bereits im September hatte das UN-Flüchtlingshilfswerk angeprangert, welche internationalen Verpflichtungen London missachten würde, sollte das Gesetz durchkommen. Der darin postulierte Grundsatz – auf den sich London derzeit auch im Streit mit Paris beruft –, Menschen sollten in dem ersten sicheren Land, in dem sie ankommen, Asyl beantragen, »findet sich nicht in der Flüchtlingskonvention, und auch das Völkerrecht enthält keine derartige Vorschrift«. Im Gegenteil liege gemäß dem Völkerrecht die Hauptverantwortung »bei dem Staat, in dem ein Asylsuchender ankommt und um diesen Schutz ersucht«.

Andere »Flüchtende« haben es da einfacher. Ein Teil des neuen Gesetzes bezieht sich auf die frühere britische Kolonie Hongkong. Allein bis Juni beantragten 65.000 Hongkonger ein spezielles Fünfjahresvisum mit Aussicht auf Staatsbürgerschaft, die britische Regierung geht davon aus, dass weitere 475.000 in den nächsten Jahren folgen werden. Bislang galt das besonders großzügige Visaprogramm jedoch nur für Menschen, die vor 1997, als die Kronkolonie wieder an China zurückgegeben wurde, geboren wurden. Dies soll sich nun ändern. Denn mehr als neun von zehn Personen, die in Hongkong wegen Protesten angeklagt wurden, sind zu jung, um ein solches Visum für Großbritannien zu erhalten.

(Quelle: Junge Welt)