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Hightechmauer um Gaza

Der Gazastreifen ist ein Freiluftgefängnis, blockiert von Israel und Ägypten. Seit Dienstag ist die Abriegelung des palästinensischen Küstengebiets durch Tel Aviv noch einmal verschärft worden. Israels Verteidigungsminister Benjamin Gantz gab die Fertigstellung eines Stahlzauns um Gaza herum bekannt, der es in sich hat: Zu der 65 Kilometer langen und sechs Meter hohen Anlage gehört auch eine unterirdische Mauer, ausgestattet mit einer Radaranlage zum »Aufspüren von Tunneln«. Dazu kommen Hunderte Kameras, eine maritime Barriere, ein ferngesteuertes Waffensystem und mehrere Kommandozentralen entlang des Grenzwalls.

Der »intelligente Zaun«, so Gantz, beraube die im Gazastreifen regierende Hamas der Möglichkeit, nach Israel »vorzudringen« – eine Anspielung auf das Tunnelsystem des palästinensischen Gebiets. In der Vergangenheit nutzte die islamistische Hamas diese auch für Gegenangriffe auf israelisches Staatsgebiet nach Luftangriffen Tel Avivs. Die »eiserne Mauer« solle das verhindern, erklärte der Verteidigungsminister weiter. Dreieinhalb Jahre lang hat der Bau, an dem 1.200 Arbeiter beteiligt gewesen waren, gedauert. Zudem seien 220.000 Tonnen Beton und 140.000 Tonnen Eisen und Stahl verwendet worden, berichtete dpa.

Dabei ist der schmale Küstenstreifen bereits seit 2007 offiziell abgeriegelt. Auch die Lage an der 14 Kilometer langen Grenze zu Ägypten sieht nicht besser aus. Kairo, dessen Regierung gute Beziehungen zu Tel Aviv unterhält, hat jegliche Grenzübergänge aus »Sicherheitsgründen« eingeschränkt. Seit 2013 haben die ägyptischen Streitkräfte zudem zahlreiche Schmuggeltunnel gesprengt, auf die viele der zwei Millionen Einwohner des Küstenstreifens angewiesen sind. Zum einen bietet der Schmuggel den Menschen des von hoher Erwerbslosigkeit geprägten Palästinensergebiets ein Einkommen. Zum anderen fanden Dinge des alltäglichen Bedarfs so ihren Weg nach Gaza.

Für militärische Zwecke wurden die Tunnel zuletzt immer weniger genutzt, berichtete die Times of Israel am Dienstag. Demnach habe die Hamas bei dem elftägigen Krieg im Mai – bei dem zwölf Israelis und 240 Palästinenser starben – eher auf Raketen gesetzt. Derzeit verhandeln Israel und die Hamas über eine verlängerte Waffenruhe sowie einen Wiederaufbau Gazas und die Freilassung von Gefangenen.

Beschlossen wurde der Bau der Hightechmauer nach dem Krieg 2014, bei dem mehr als 2.000 Palästinenser und etwa 70 Israelis starben. Verteidigungsminister Gantz war zu diesem Zeitpunkt Generalstabschef der israelischen Armee. Bis Dienstag lief deshalb gegen ihn am Bezirksgericht von Den Haag ein Verfahren wegen der Tötung von sechs Palästinensern. Der Niederländer Ismail Ziadas hatte Gantz und den Luftwaffenkommandeur Amir Eshel verklagt, weil er im Krieg mehrere Familienmitglieder verlor. Das Gericht wies die Klage jedoch wegen der Immunität Gantz’ ab.

Bis auf solche von palästinensischen Stimmen, die aufgrund der Mauer eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage im Gazastreifen befürchteten, war international kaum Kritik zu vernehmen. Auch von der neuen Bundesregierung ist bezüglich der Verletzung von Menschenrechten der Palästinenser künftig wenig zu erwarten. Die designierte Außenministerin Annalena Baerbock hatte während der militärischen Auseinandersetzungen im Mai erklärt, sie verurteile die Raketenangriffe der Hamas »aufs schärfste«. Die Palästinenserorganisation trage die »volle Verantwortung«, denn sie habe »unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten terrorisiert, verletzt und getötet«. Daher habe Israel das »völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstverteidigung«. Zudem erklärte sie, man stehe »an der Seite der Israelinnen und Israelis«. Selbst die zivilen Opfer auf palästinensischer Seite seien der Hamas zuzuschreiben, denn schließlich nehme sie solche in Kauf.

(Quelle: Junge Welt)