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»In der Türkei wurde Turgut Kaya misshandelt und gefoltert«

Griechenland will linken Politiker an Ankara ausliefern. In der Türkei droht Turgut Kaya Haft. Ein Gespräch mit Marianna Tzeferakou*

Der linke Aktivist Turgut Kaya wurde in Griechenland auf Grundlage eines internationalen Haftbefehls festgenommen und sitzt nun in Auslieferungshaft. Was ist zu befürchten, wenn er in die Türkei abgeschoben wird?

Turgut Kaya wird von den türkischen Behörden und der Regierung Erdogan verfolgt, weil er ein linker und prokurdischer Politiker ist. Er ist Journalist und hat in der Türkei eine Zeitung herausgegeben. Dort war er bereits länger inhaftiert, wurde misshandelt und gefoltert. In einem unfairen Verfahren, dass nicht als rechtsstaatlich bezeichnet werden kann, wurde er als vermeintliches Mitglied der in der Türkei als Terrororganisation geltenden TKP-ML verurteilt.

Es ist eine bekannte Taktik des türkischen Regimes linke oder prokurdische Aktivisten, Journalisten und Politiker gemäß der »Antiterrorgesetzgebung« anzuklagen und zu verurteilen. Im Falle einer Abschiebung in die Türkei ist absehbar, dass Turgut Kaya erneut Misshandlungen und Folter ausgesetzt sein und höchstwahrscheinlich in einem erneuten unfairen Verfahren aufgrund seiner politischen Einstellung zu lebenslanger Haft verurteilt werden würde.

Sind rechtlich alle Mittel ausgeschöpft oder kann eine weitere Instanz oder die Regierung die Abschiebung verhindern?

Der Oberste Gerichtshof Griechenlands (Areios Pagos) hat die Abschiebung von Turgut Kaya in seinem Urteil vorgeschlagen. Entsprechend der griechischen Gesetzgebung schlägt der Oberste Gerichtshof eine Abschiebung vor, während dem Justizminister die endgültige Entscheidung obliegt, ob diese auch durchgeführt wird. Diese Entscheidung steht nun an. Die linke griechische Regierung sollte diese Abschiebung verhindern.

Turgut Kaya befindet sich derzeit im Hungerstreik. Wie geht es ihm?

Mein Mandant befindet sich seit dem 31. Mai im Hungerstreik. Er fordert die Verhinderung der Abschiebung und seine sofortige Freilassung. Herr Kaya wurde trotzdem zunächst in ein Gefängnis in der Nähe der türkischen Grenze im Norden Griechenlands verlegt. Er ließ sich davon allerdings nicht abhalten, weiter für seine Rechte zu kämpfen. Aufgrund des nationalen wie internationalen Drucks musste die Regierung die Verlegung wieder rückgängig machen.

Das Erdogan-Regime hat in den letzten Jahren weit mehr als zehntausend politische Gegner inhaftiert. In und außerhalb der Gefängnisse kommt es systematisch zu Folter und Menschenrechtsverletzungen. Wie erklären Sie sich, dass die griechische Justiz in ein solches Land abschieben möchte?

Wir hatten nicht mit einer derartigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gerechnet und sind sehr besorgt. Überraschend war die Entscheidung insbesondere, weil die Folter und das unfaire Verfahren gegen Turgut Kaya sehr gut dokumentiert sind. Ich will das noch einmal betonen.

Darüber hinaus sind die Menschenrechtsverletzungen und die kontinuierliche Verurteilung von politisch aktiven Menschen in der Türkei bekannt. Bisher hatte der Oberste Gerichtshof immer entschieden, dass Abschiebungen von politischen Aktivisten in die Türkei gegen griechisches und internationales Recht verstoßen. Sogar im Fall von acht Soldaten, denen eine Beteiligung am Putschversuch vorgeworfen wurde, entschied der Gerichtshof fairer Weise gegen eine Auslieferung.

Bis jetzt wissen wir noch nichts über die rechtliche Begründung der Entscheidung im Fall Kaya. Der Justizminister der linken griechischen Regierung ist nun gefordert, Turgut Kaya zu schützen und die Abschiebung zu verhindern. Tut er das nicht, wäre die Abschiebung das Ergebnis von anderen dreckigen Deals zwischen Griechenland und der Türkei.

Gibt es in Griechenland eine Solidaritätskampagne für Turgut Kaya?

Jeden Tag wächst die Unterstützung für die Kampagne gegen die Abschiebung in Griechenland und Europa. Das ist sehr wichtig, weil der Fall in der griechischen Regierung noch abgewogen wird. Wir wünschen daher, dass sich möglichst viele Menschen daran beteiligen. Dadurch, dass wir unsere Solidarität mit Turgut Kaya zeigen und vom Justizminister die Verhinderung der Abschiebung fordern, verteidigen wir auch die Einhaltung der Rechte im gesamten Europa.

Interview: Martin Dolzer (Junge Welt)

*Marianna Tzeferakou ist Rechtsanwältin und vertritt Turgut Kaya