ÖSTERREICH | 31 – 10 – 2011 | Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte
Angriff auf die Freiheit?
Hintergründe
Es gibt eine beschlossene EU Verordnung aus dem Jahre 2006, welche die Datenspeicherung aller Kommunikationsdaten der Bürger Europas als Mittel zur Verbrechenbekämpfung bestimmt.
Über diese umstrittene EU- Verordnung wird in Österreich ein sehr heißer Diskurs geführt. Unsere Politiker beschäftigen sich zurzeit mit dessen Umsetzung. Bereits Ende Juli 2010 wurde Österreich wegen Nichtumsetzung der im Europäischen Rat beschlossenen Richtlinie verurteilt. Noch im Februar dieses Jahres wird deshalb die zweite Mahnung erwartet und ab Mitte des Jahres drohen dann Strafen in Millionen Höhe.
Was bedeutet die Vorratsdatenspeicherung für uns?
Die Vorratsdatenspeicherung besagt, dass sämtliche Handy-, Email- und Internet-Daten ein halbes Jahr lang gespeichert werden müssen, und zwar auch OHNE Vorliegen eines konkreten Tatverdachts oder Handlung. Verwendet werden sollen diese Daten laut der EU-Richtlinie nur bei der Bekämpfung schwerer Straftaten.
In welchen Fällen und wann dürfen diese Daten verwendet werden? Was ist eine Straftat?
Ganz konkret bedeutet dies dass jedes Land selbst eine Straftat festlegen beziehungsweise definieren darf. Bei dieser flächendeckenden Überwachung werden und müssen die Daten hunderttausende (unschuldige) Bürger gesichtet und ausgewertet werden, konkrete Detail oder Täter herauszufinden.
Wer soll für die Kosten aufkommen?
Paradoxerweise müssen wir unbescholtene Bürger für die Einführung der technischen Bespitzelung die Kosten tragen. Wenn man bedenkt dass rund 12-14 Millionen Telefonanschlüsse in Österreich gibt, die etwa 20-40 Mrd. Telefonanrufen pro Jahr entsprechen, rund 40 Mrd. Mails werden jährlich verschickt bzw. empfangen. Nimmt man nur einen Kostenersatz von 1 Cent/pro Datensatz an, wären das immerhin 2-400 Millionen EUR pro Jahr. (Quelle:http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=pub-text-argedaten&s=28764tot).
Vorratsdatenspeicherung scharf kritisiert
Eingriff in die Privatsphäre und Unschuldsvermutung
Der Hauptkritikpunkt ist, dass das Speichern von Daten einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt, da jedem Bürger das Recht auf unbeobachtete Kommunikation zusteht. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung würde somit nicht mehr gelten. Die Daten sollen außerdem nicht wie bisher, nur bei Verdacht auf schwere Straftaten, sondern auch für zivilrechtliche Prozesse benutzt werden. Also zum Beispiel bei Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Verfahren zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Sicherheitspolizeigesetz (SPG)
2008 wurde das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) dahingehend novelliert, dass die Exekutive zur Abwehr schwerer Straftaten und bei Gefährdung von Menschenleben bei Telekom-Dienstleistern (darunter fallen Festnetz-, Mobilfunk-, Internet- und E-Commerce-Anbieter) Name, Adresse – und bei Handy-Nutzern auch den aktuellen Aufenthaltsort – eines Verdächtigen erfragen können.
Die folgenden Zahlen beziehen sich auf die ersten fünf Kalenderwochen des Jahres 2008.
•Von 1. Jänner bis 4. Februar wurden Namen und Adressen von 2766 Inhabern von Telekom- und Internet-Anschlüssen ausgeforscht.
•In 22 Fällen verlangten die Sicherheitsbehörden Auskunft darüber, welche Internet-Kennnummer (IP-Adresse) und welche Identität sich hinter einer bestimmten E-Mail verbargen.
•540 Mal wurden Internet-Nutzer auf Grund der Annahme einer konkreten Gefahrensituation (Hilfeleistungspflicht oder Verdacht auf eine bevorstehende, schwere Straftat) ausgeforscht.
•Von 82 Handy-Nutzern – also im Schnitt 2,3 täglich – erfragten die Behörden bei den Betreibern den momentanen (oder zuletzt registrierten) Aufenthaltsort.
•Bei 29 davon geschah dies auf Grund der Annahme von Selbstmordgefährdung.
•Gemäß der vom Innenministerium stets strapazierten Begründung, mittels Handy-Ortung vorwiegend verirrte und verletzte Bergwanderer oder verschüttete Lawinenopfer finden zu wollen, wurde während des fünfwöchigen Untersuchungszeitraums kein einziger Fall registriert.
Anti-Grundrechts-Paket
Dieser Gesetzesentwurf verstößt gegen jegliche Grundrechte der unbescholtenen Bürger und dient nur als Vorwand.
„Unter dem Vorwand der Anti-Terror-Bekämpfung oder Verbrecherbekämpfung „wird es zukünftig ermöglicht, politisch engagierte BürgerInnen, Gruppen und Organisationen unter polizeiliche und geheimdienstliche Kontrolle zu stellen. Dieser Anti-Grundrechts-Paket dient somit kritisch denkende Menschen, Individuen und engagiert BürgerInnen zu isolieren, zu verstummen und sie mundtot zu machen
Es wird den BürgerInnen verboten sich politisch zu engagieren. Jeder Bürger gilt als potenzielle Kriminelle. Das ist keine Demokratie und verstößt gegen jegliche Grundrechte eines Rechtstaates. Somit kann nicht mehr die Rede von Republik Österreich sein. Sondern wir sprechen nun von einem „Polizeistaat Österreich“.
Nun wollen wir uns bei der SPÖ und ÖVP bedanken dafür dass sie derartig demokratiefeindliches Vorgehen auch noch zum Standard machen und politische AktivistInnen vorsorglich unter Generalbeobachtung stellen.
Quellen/ Links:
http://derstandard.at/1296696570773/Ueberwachungsstaat-Oesterreich-und-die-Angst-vor-der-Millionenstrafe
http://oe1.orf.at/artikel/269656
http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=pub-text-argedaten&s=28764tot
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 19.03.2008)
Dr.Nev